Destruktive Gruppen

Unter destruktiven Gruppen verstehen wir Gemeinschaften, die die persönliche Entwicklung ihrer Mitglieder als Bedrohung empfinden. Während in authentischer Gemeinschaft die Unterschiede der Menschen, die ihr angehören, als Bereicherung empfunden wird, droht Individualität in destruktiven Gemeinschaften das Zusammengehörigkeitsgefühl in Frage zu stellen. Es entstehen rigide soziale Rollen, die das einzelne Mitglied zu erfüllen hat. Ausbrüche aus diesen Rollen werden von der destruktiven Gruppe als Bedrohung oder Verrat empfunden. Destruktive Gruppen weisen in unterschiedlichen Variationen und Intensitäten diese Merkmale auf:

  • strikte Zuweisung von sozialen Rollen, die die Mitglieder innerhalb und außerhalb der Gruppe zu erfüllen haben;
  • die destruktive Gruppe zeichnet sich durch starke Hierarchien aus, an deren Spitze meist (charismatische) Entscheider*innen den, den Ton angeben;
  • in der Gruppe herrscht ein strenges System aus täglichen Ritualen und Regeln, die unbedingt einzuhalten sind;
  • die Kommunikation und das Handeln in der Gruppe sind geprägt von einem tiefgreifenden Mangel an Spontanität, Humor und Elan im Miteinander sowie einer regelrechten Furcht vor Veränderungen.
  • Ausbrüche aus den sozialen (Gruppen)Rollen, oft auch nur zaghafte Kontakte in die Außenwelt, werden als Bedrohung und Verrat empfunden;
  • Es herrschen Gruppenwahrheiten, die nicht hinterfragbar sind; meist sind es exklusive Wahrheiten, über die in Konkurrenz zur Außenwelt nur die Gruppe verfügt;
  • es herrscht großes Misstrauen gegen alle, die nicht der Gruppe angehören;
  • die Außenwelt wird als unwissend („ungläubig“) oder feindlich beschrieben; die Lösung aller (individuellen und gesellschaftlichen) Probleme wird nur dem eigenen Glaubenssystem („die Wahrheit“) zugetraut;
  • es herrscht eine regelrechte Opfermythologie nach innen wie außen. Die Gruppe sieht sich als (permanentes) Opfer der Außenwelt; das Ich geht im Wir der Gruppe auf, zum Wohl der Gruppe muss der Einzelne jegliches Opfer bringen.

Destruktiv sind solche Gruppen insofern, als sie die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Mitglieder verhindern. Die destruktive Gruppe zerstört die Fähigkeit aller Mitglieder, ein selbstbestimmtes und sinnerfülltes Leben in- und außerhalb der Gruppe zu führen.

Die Geschichten unserer Klient*innen

Steffis Geschichte
Ich wurde in eine fundamentalistisch, fanatisch-religiöse Familie hineingeboren, zwei Schwestern folgten, für die ich immer versucht habe, Schaden abzuwenden. Meine frühesten Kindheitserlebnisse waren von massiver Überforderung geprägt. Wenn ich an meine ersten 18 Lebensjahre zurückdenke, waren sie von Gewalt, Demütigungen und Abwertungen geprägt. Immer ging es um Schuld; ein tiefes Schamgefühl dafür, dass ich überhaupt...
Carolas Geschichte

Meine Kindheit war geprägt von Geborgenheit und Liebe. Meine Eltern sind nach wie vor in einer glücklichen Beziehung und sie konnten sich in ihrem Leben verwirklichen. Der Glaube spielte in unserem Leben keine besondere Rolle. Als Schülerin war ich eher angepasst, aber in der Pubertät begann ich, mir existentielle Fragen über das Leben zu stellen….

Was bieten wir an?

Das Team von iuvenes e. V. begleitet Menschen, die

  • unter destruktiven Gruppen leiden
  • die destruktive Gruppen verlassen möchten, aber nicht wissen wie
  • die in ihrer Vergangenheit destruktiven Gruppen angehörten und noch Hilfe bei der Aufarbeitung benötigen.

Außerdem beraten und unterstützen wir Angehörge und soziale Nahfelder (Kindergärten, Schulen, Sportvereine, Mitarbeiter*innen von Kinder- und Familienhilfen usw.)

Dafür bieten wir Folgendes an:

  • Individuelle, ausführliche und begleitende Beratung für Betroffene und Angehörige
  • Monatliche Gruppentreffen zum Austausch für Betroffene
  • Gruppentreffen zum Austausch für Angehörige Betroffener nach Bedarf
  • Seminare und Workshops für Interessierte, bspw. für Firmen und Schulen

Bei Interesse und Fragen können Sie uns gern per E-Mail oder Telefon kontaktieren!

Wie arbeiten wir?

  • Die Beratung ist vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym.
  • Die Beratung richtet sich nach Ihren Bedürfnissen und erfolgt nur auf Ihren ausdrücklichen Wunsch.
  • Die Beratung kann persönlich, telefonisch oder per E-Mail auf Deutsch oder Englisch erfolgen.
  • Die Beratung ist ausschließlich den Sorgen und Bedürfnissen der ratsuchenden Personen verpflichtet. Das iuvenes-Team ist an keine Konfession gebunden, politisch unabhängig und versteht sich als stärkende Plattform für Menschen, die schädliche Gruppenprozesse erlebt haben.

Wer wir sind

Gloriett Gargl wuchs in einer destruktiven Gruppe auf, die sie mit 17 Jahren verließ. Seitdem beschäftigt sich die Pädagogin mit schädlichen Gruppeneinflüssen und Prozesse, die einen Ausstieg ermöglichen können.

Jan Buschbom arbeitet seit 2001 im Arbeitsfeld Destruktive Gruppen und der Täterarbeit. Buschbom war einer der Gründer und bis Ende 2017 Vorstand und wissenschaftlicher Leiter von Violence Prevention Network. In 2018 gründete Buschbom gemeinsam mit Kolleg*innen iuvenes e. V., dessen Vorstand er ist. In enger Zusammenarbeit mit der Jugendstrafanstalt Berlin erarbeitet er Konzepte für die Arbeit mit straffälligen Jugendlichen und führt die Maßnahmen durch, etwa gemeinsam mit Hartwig Taege die SportGeschichten – niedrigschwellige politische Bildung. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Ausstiegsbegleitung und –beratung aus Destruktiven Gruppen (meist sog. „Sekten“ oder „Kulte“). Gemeinsam mit Gloriett Kargl führt Buschbom seit 2018 eine moderierte Gesprächsgruppe für Aussteiger*innen aus Destruktiven Gruppen durch.